Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen (§ 3 Nummer 72 Einkommensteuergesetz – EStG)
BMF vom 17.07.2023 (BStBl I S. 1494)
IV C 6 – S 2121/23/10001 :001 – 2023/0659709
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BMF vom 17.07.2023 (BStBl I S. 1494)
IV C 6 – S 2121/23/10001 :001 – 2023/0659709
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 3 Nummer 72 Einkommensteuergesetz – EStG)
Folgendes:
Die Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 3 Nummer 72 Satz 1 EStG) gilt für natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften.
Beispiel 1
Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus jeweils eine eigenständige Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von jeweils 12,00 Kilowatt (peak). Die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG gilt sowohl für A als auch für B.
Beispiel 2
Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus gemeinschaftlich (als Mitunternehmerschaft) eine Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von 24,00 Kilowatt (peak). Die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG gilt für die Mitunternehmerschaft der Eheleute A und B.
Für Zwecke des § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG ist die Bruttoleistung nach dem Marktstammdatenregister in Kilowatt (peak) (im Folgenden kW (peak)) maßgeblich (maßgebliche Leistung). Eine Photovoltaikanlage besteht dabei im Wesentlichen aus Solarmodulen, Wechselrichter und Einspeisezähler (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011, XI R 29/09, BStBl II 2012 S. 430).
Begünstigt sind mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Photovoltaikanlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden (einschließlich Nebengebäude, wie z. B. Gartenhäuser, Garagen, Carports). Begünstigt sind auch dachintegrierte und sog. Fassadenphotovoltaikanlagen. Die Photovoltaikanlage ist ertragsteuerlich als ein selbständiges bewegliches Wirtschaftsgut zu behandeln.
Art des Gebäudes | Maximale maßgebliche Leistung der Anlage(n) in kW (peak) je Steuerpflichtiger/Mitunternehmerschaft (gebäudebezogene Betrachtung) |
Einfamilienhaus (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG) | 30,00 |
Wohnzwecken dienendes Zwei-/Mehrfamilienhaus (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG) | 15,00 je Wohneinheit |
Gemischt genutzte Immobilie (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG) | 15,00 je Wohn-/Gewerbeeinheit |
Nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude, z. B. Gewerbeimmobilie mit einer Gewerbeeinheit, Garagengrundstück (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG) | 30,00 |
Gewerbeimmobilie mit mehreren Gewerbeeinheiten (analog § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG) | 15,00 je Gewerbeeinheit |
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Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt.
Bei der Prüfung der Anzahl der Wohn-/Gewerbeeinheiten ist regelmäßig auf die selbständige und unabhängige Nutzbarkeit abzustellen.
Es ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der Photovoltaikanlage auch Eigentümer des Gebäudes ist, auf, an oder in dem sich die Photovoltaikanlage befindet.
Von der Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG umfasst sind Einnahmen und Entnahmen unabhängig von der Verwendung des von der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms.
Zu den Einnahmen gehören insbesondere
Entnahmen liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird, z. B.:
Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung oder Entnahme einer Photovoltaikanlage aus einem Betriebsvermögen eines Betriebs, der nur steuerfreie Einnahmen und Entnahmen nach § 3 Nummer 72 EStG erzielt, fällt unter die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG. Zu Photovoltaikanlagen in einem anderweitigen Betriebsvermögen vgl. Aussagen unter Rn. 24.
In einem ersten Schritt ist für den Steuerpflichtigen oder die Mitunternehmerschaft zu prüfen, ob die maßgeblichen Leistungen (siehe Rn. 2) der von ihm oder ihr betriebenen Photovoltaikanlagen die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe pro Gebäude einhalten.
Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der jeweilige Steuerpflichtige oder die jeweilige Mitunternehmerschaft insgesamt die 100,00 kW (peak)-Grenze einhält.
Dabei sind die maßgeblichen Leistungen aller nach § 3 Nummer 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen, die vom Steuerpflichtigen oder der Mitunternehmerschaft auf, an oder in Gebäuden betrieben werden, für die Ermittlung der 100,00 kW (peak)-Grenze zu addieren.
Das gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Dabei ist unerheblich, ob die Anlagen technisch voneinander getrennt sind.
Ein Steuerpflichtiger betreibt zwei Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von 30,00 kW (peak) auf je einem Einfamilienhaus und eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak). Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist nicht in die Prüfung der 100,00 kW (peak)-Grenze einzubeziehen. Die beiden Anlagen auf den Einfamilienhäusern sind deshalb nach § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG begünstigt.
Abwandlung
Der Steuerpflichtige betreibt zusätzlich eine vierte Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak) auf einem Haus mit zwei Wohneinheiten. Da die vierte Anlage bereits dem Grunde nach nicht unter § 3 Nummer 72 EStG fällt, da die maximale maßgebliche Leistung für diese Gebäudeart von 30,00 kW (peak) überschritten ist, ist diese Anlage ebenfalls nicht in die Ermittlung der 100,00 kW (peak)-Grenze einzubeziehen.
Ist ein Steuerpflichtiger oder eine Mitunternehmerschaft, der bzw. die nach § 3 Nummer 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen betreibt, daneben an einer Photovoltaikanlagen betreibenden anderen Mitunternehmerschaft beteiligt, sind die von der anderen Mitunternehmerschaft betriebenen Photovoltaikanlagen nicht anteilig bei der Prüfung der 100,00 kW (peak)-Grenze des Steuerpflichtigen oder der Mitunternehmerschaft zu
berücksichtigen.
Betreibt der Steuerpflichtige Photovoltaikanlagen auf, an oder in Gebäuden mit einer maßgeblichen Leistung von insgesamt mehr als 100,00 kW (peak), ist die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 EStG insgesamt nicht anzuwenden (Freigrenze).
Werden die Voraussetzungen des § 3 Nummer 72 EStG unterjährig erstmalig oder letztmalig erfüllt (z. B. aufgrund Veränderungen bei den Wohn-/Gewerbeeinheiten im Gebäude, Änderung der maßgeblichen Leistung der Photovoltaikanlage, Über- oder Unterschreitung der 100,00 kW (peak)-Grenze), findet die Steuerbefreiung nur bis zu bzw. ab
diesem Zeitpunkt Anwendung.
Der Steuerpflichtige A betreibt mit Gewinnerzielungsabsicht auf einem Gebäude mit zwei Gewerbeeinheiten eine Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 32,00 kW (peak). Eine der beiden Gewerbeeinheiten wird zum 1. August 01 in zwei Einheiten aufgeteilt, sodass sich in dem Gebäude ab diesem Zeitpunkt drei Gewerbeeinheiten befinden. Die Voraussetzungen des § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG (siehe Rn. 3) sind ab dem 1. August 01 erfüllt. Die Steuerbefreiung findet daher erst ab diesem Zeitpunkt Anwendung. Bis zum 31. Juli 01 gelten die allgemeinen Grundsätze.
Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn vorauS. Werden in diesen Fällen Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigt sind, gilt Folgendes:
Soweit die Photovoltaikanlage Betriebsvermögen eines Betriebes ist, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist, sind die Regelungen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022, BStBl I S. 945) weiterhin anzuwenden (vgl. Aussagen unter Rn. 24-26).
Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem (ggf. zukünftigen) Betrieb von nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen stehen, sind nach Maßgabe des § 3c Absatz 1 EStG nicht abzugsfähig (vgl. jedoch Aussagen unter Rn. 24). Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 bleibt unberührt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2012, BStBl II 2013 S. 203).
Die Übertragung oder Überführung einer Photovoltaikanlage zu Buchwerten nach § 6 Absatz 3 oder 5 EStG ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Die Besteuerung der stillen Reserven ist jedoch nicht sichergestellt, wenn die Photovoltaikanlage vor der Übertragung oder Überführung nicht nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigt war und damit auch ein etwaiger Aufgabe-/Veräußerungsgewinn steuerpflichtig wäre, nach der Übertragung oder Überführung jedoch nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigt ist. In diesen Fällen scheidet eine Übertragung oder Überführung zu Buchwerten aus.
Nach § 3 Nummer 72 Satz 3 EStG ist in den Fällen des § 3 Nummer 72 Satz 2 EStG § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG nicht anzuwenden. Bei im Übrigen vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die bislang nur aufgrund des Betriebs einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen i. S. d. § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG gewerblich infiziert waren, sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine Phoovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen in 2022 zu entnehmen. Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zu 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.
Befindet sich eine Photovoltaikanlage im Betriebsvermögen eines Betriebs, dessen Zweck nicht ausschließlich der Betrieb von nach § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen ist (vgl. Rn. 26), ist § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG nur insoweit anzuwenden, als der Strom eingespeist, entnommen oder an Dritte veräußert wird. Der Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage bleibt unberührt, soweit dieser auf die eigenbetriebliche Nutzung des Stroms aus der Photovoltaikanlage entfällt. Bis zur Höhe der Einnahmen und der Entnahmen i. S. v. § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG gilt das Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 3c Absatz 1 EStG.
Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags ist nicht nach § 3c Absatz 1 EStG zu kürzen. Die Hinzurechnung nach § 7g Absatz 2 Satz 1 EStG fällt nicht unter § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG.
Wird der mit einer Photovoltaikanlage erzeugte Strom teilweise in einem anderen Betrieb des Betreibers verbraucht, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen, ob es sich um zwei selbständige Betriebe oder einen einheitlichen Betrieb handelt. Ein einheitlicher Betrieb ist dabei nur dann anzunehmen, wenn die beiden Betriebe einander stützen und sich gegenseitig ergänzen (BFH-Urteil vom 17. Juni 2020, X R 15/18, BStBl II 2021 S. 157). Als gewichtiges Indiz hierfür kann es gelten, wenn der mit der Photovoltaikanlage erzeugte Strom zu mehr als 50 % in dem anderen Betrieb verbraucht wird.
Wird der mit einer Photovoltaikanlage erzeugte Strom in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen verbraucht, ist die Überführung unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG mit dem Buchwert zu bewerten.
Ausschließlich für Zwecke des § 35a EStG ist bei Photovoltaikanlagen, die die Voraussetzungen des § 3 Nummer 72 Satz 1 EStG erfüllen und die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, zu unterstellen, dass diese bereits ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 35a EStG kann die Steuerermäßigung gewährt werden.
Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten für alle Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden (§ 52 Absatz 4 Satz 27 EStG).
Diese Regelung gilt auch in den Fällen eines vom Kalenderjahr abweichenden WirtschaftsjahrS. Die zeitliche Zuordnung richtet sich nach der Art der Gewinnermittlung (z. B. nach dem Zu- und Abflussprinzip bei Einnahmenüberschussrechnung).
Anträge auf Anwendung der Vereinfachungsregelung nach dem BMF-Schreiben vom 29. Oktober 2021 (IV C 6 – S 2240/19/10006:006, 2021/1117804, BStBl I S. 2202) sind für Photovoltaikalagen, die nach dem 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, nicht mehr möglich. Für Photovoltaikanlagen, die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, wird die Frist für die Antragstellung bis zum 31. Dezember 2023 verlängert.
Antragstellern, die nach dem 31. Dezember 2022 einen Antrag für Photovoltaikanlagen, die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen worden sind, gestellt haben undderen Antrag bereits bestandskräftig wegen Verfristung abgelehnt worden ist, steht es frei, einen erneuten Antrag auf Anwendung der Vereinfachungsregelung nach dem BMF-Schreiben vom 29. Oktober 2021 (a. a. O.) zu stellen.
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