1Der Grundsteuerwert wird neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der in Euro ermittelte und auf volle 100 Euro abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben oder unten um mehr als 15 000 Euro abweicht.
2Über die Art oder Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit (§ 219 Absatz 2) wird eine neue Feststellung getroffen (Artfortschreibung oder Zurechnungsfortschreibung), wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist.
31Eine Fortschreibung nach Absatz 1 oder 2 findet auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. 2§ 176 der Abgabenordnung über den Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden ist hierbei entsprechend anzuwenden. 3Satz 2 gilt nur für die Feststellungszeitpunkte, die vor der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines der in § 176 der Abgabenordnung genannten Gerichte liegen.
41Eine Fortschreibung ist vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. 2Der Fortschreibung werden vorbehaltlich des § 227 die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt. 3Fortschreibungszeitpunkt ist:
- bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt, und
- in den Fällen des Absatzes 3 der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, bei einer Erhöhung des Grundsteuerwerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird.
Anwendungserlass
A 222
Fortschreibungen
aufklappen
Zuklappen
11Eine Wertfortschreibung der Grundsteuerwerte ist vorzunehmen, wenn der in Euro ermittelte und auf volle durch hundert Euro ohne Rest teilbare abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben oder nach unten um mehr als 15.000 Euro abweicht. 2Mehrere bis zu einem Fortschreibungszeitpunkt eingetretene Wertabweichungen sind zusammenzufassen. 3Beträgt der nach § 230 BewG abgerundete neue Wert null Euro, so ist der Grundsteuerwert nur dann auf null Euro festzustellen, wenn die Wertgrenze des § 222 Absatz 1 BewG überschritten ist. 4Eine Wertfortschreibung erfolgt nicht allein deshalb, weil sich das Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitraum verändert und sich damit eine abweichende Alterswertminderung nach § 259 Absatz 4 BewG oder abweichende Kapitalisierungs- und Abzinsungsfaktoren nach § 253 Absatz 2 BewG bzw. nach § 257 Absatz 2 BewG ergäben (siehe auch A 227.1). 5Maßgebend ist das Gebäudealter im Hauptfeststellungszeitpunkt.
21Wurde der niedrigere gemeine Wert auf einen Feststellungszeitpunkt berücksichtigt und ändern sich nach diesem Feststellungszeitpunkt die tatsächlichen Verhältnisse, ist bei der Prüfung einer Wertfortschreibung gemäß § 222 Absatz 1 BewG der sich zum Fortschreibungszeitpunkt unter Berücksichtigung der geänderten tatsächlichen Verhältnisse nach den Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ergebende Grundsteuerwert mit dem Grundsteuerwert zum letzten Feststellungszeitpunkt zu vergleichen. 2Wird die Wertfortschreibungsgrenze überschritten, ist eine Wertfortschreibung durchzuführen. 3Der Steuerpflichtige kann erneut einen Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts für den Wertfortschreibungszeitpunkt erbringen. 4Ein für die vorangegangene Feststellung erstelltes (und anerkanntes) Gutachten ist nicht als Nachweis für die nunmehr vorzunehmende Wertfortschreibung (Fortschreibungszeitpunkt vgl. § 222 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 BewG) anzuerkennen, da sich der Qualitätsstichtag geändert hat. 5Der Nachweis mittels eines zeitnah zum Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommenen Kaufpreises ist nicht möglich, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse nach diesem Stichtag geändert haben.
Auf den 1. Januar 2022 wurde nach den Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ein Grundsteuerwert in Höhe von 400.000 € ermittelt. Durch ein anzuerkennendes Verkehrswertgutachten wurde auf den Hauptfeststellungszeitpunkt ein gemeiner Wert in Höhe von 285.000 € nachgewiesen, der als Grundsteuerwert festgestellt wurde, da die 40 %-Grenze erreicht wurde (400.000 € – 285.000 € = 115.000 €; 115.000 €/285.000 € = 40,35 %). Im Jahr 2025 wird eines von mehreren Gebäuden abgerissen. Der nach dem Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ermittelte Grundsteuerwert beträgt nun 300.000 €.
Lösung:
Auf den 1. Januar 2026 ist keine Wertfortschreibung durchzuführen, da der ermittelte Grundsteuerwert (300.000 €) vom zuletzt festgestellten Grundsteuerwert (285.000 €) nicht um mehr als 15.000 € abweicht.
Abwandlung:
Das Gebäude wird nicht abgerissen. Stattdessen werden im Jahr 2025 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, eine Bodenverunreinigung beseitigt u. Ä. Der nach den Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ermittelte Grundsteuerwert beträgt weiterhin 400.000 €. Der Steuerpflichtige weist durch ein weiteres Gutachten einen gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit in Höhe von nunmehr 325.000 € nach.
Lösung:
Das seinerzeit eingereichte Gutachten bildet infolge der durchgeführten Maßnahmen die tatsächlichen Verhältnisse zum Fortschreibungszeitpunkt nicht mehr zutreffend ab und kann nicht mehr als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen (vgl. A 220.3 Absatz 8 Nummer 1). Auf den 1. Januar 2026 ist eine Wertfortschreibung auf 400.000 € durchzuführen, da der nach den Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ermittelte Grundsteuerwert vom zuletzt festgestellten Grundsteuerwert (285.000 €) um mehr als 15.000 € abweicht. Der nachgewiesene Verkehrswert in Höhe von 325.000 € kann nicht als Grundsteuerwert festgestellt werden, da die 40 %-Grenze nicht erreicht wird (400.000 € – 325.000 € = 75.000 €; 75.000 €/325.000 € = 23,08 %).
31Eine Art- und/oder Zurechnungsfortschreibung ist vorzunehmen, wenn sich zu den zuletzt getroffenen Feststellungen Abweichungen ergeben, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 219 Absatz 2 BewG). 2Wertgrenzen sind bei der Art- und Zurechnungsfortschreibung nicht zu beachten. 3Eine Artfortschreibung setzt eine Änderung in der Art einer wirtschaftlichen Einheit voraus (§ 222 Absatz 2 BewG). 4Die Art eines Grundstücks ändert sich z. B., wenn aus einem Einfamilienhaus ein Zweifamilienhaus wird. 5Eine Zurechnungsfortschreibung (§ 222 Absatz 2 BewG) setzt voraus, dass sich die Eigentumsverhältnisse geändert haben. 6Das ist insbesondere der Fall, wenn ein Grundstück verkauft, verschenkt oder vererbt, Alleineigentum an einem Grundstück in Miteigentum umgewandelt wird oder sich die Miteigentumsverhältnisse an einem Grundstück ändern. 7Eine Zurechnungsfortschreibung ist hingegen nicht bei einer bloßen Umfirmierung einer Kapitalgesellschaft vorzunehmen.
41Die drei Arten der Fortschreibung (Absatz 1 und 3) stehen selbständig nebeneinander. 2Auf denselben Fortschreibungszeitpunkt sind deshalb Fortschreibungen der verschiedenen Art zulässig. 3Sie können verbunden werden, soweit dies zweckmäßig ist. 4Eine bereits auf einen bestimmten Fortschreibungszeitpunkt vorgenommene Fortschreibung der einen Art schließt eine nachfolgende Fortschreibung einer anderen Art auf denselben Zeitpunkt nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 9. Januar 1959 III 288/57 U, BStBl III S. 110). 5Nochmalige Fortschreibungen derselben Art auf denselben Feststellungzeitpunkt sind dagegen (vorbehaltlich der Korrekturnormen nach §§ 172 ff. AO) nicht zulässig. 6Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse im Jahr vor einem Hauptfeststellungszeitpunkt, ist auf den Hauptfeststellungszeitpunkt nicht nur eine Hauptfeststellung, sondern zugleich und unabhängig davon auch eine Wertfortschreibung (unter Beachtung der Wertfortschreibungsgrenze (§ 222 Absatz 1 BewG) und der Wertverhältnisse des vorangegangenen Hauptfeststellungszeitpunkts) vorzunehmen (siehe hierzu auch Beispiel 2).
B erwirbt im Februar 2022 von A einen Bauplatz. Das Finanzamt führt auf den 1. Januar 2023 eine Zurechnungsfortschreibung auf B durch. Am 13. Januar 2023 geht beim Finanzamt die Anzeige gemäß § 228 Absatz 2 BewG des B ein, dass er auf diesem Grundstück im Oktober 2022 ein Fertighaus (Einfamilienhaus) bezugsfertig errichtet hat.
Die Bebauung des Grundstücks führt zu einer Art- und Wertfortschreibung. Da Zurechnungs-, Art- und Wertfortschreibungen eigenständige Verwaltungsakte sind, ist neben der bereits erfolgten Zurechnung noch eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2023 nach § 222 Absatz 1 und 2 BewG (Zurechnung wie bisher B) vorzunehmen.
Im Jahr 2028 wird auf einem bisher unbebauten Grundstück ein Gebäude bezugsfertig errichtet.
Die Bebauung des Grundstücks führt zu einer Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2029 unter Zugrundelegung der Wertverhältnisse (z. B. der Bodenrichtwerte) vom 1. Januar 2022. Der auf Grundlage der Wertfortschreibung festgesetzte Grundsteuermessbetrag entfaltet Wirkung ab 1. Januar 2029 (Neuveranlagung nach § 17 Absatz 1 GrStG), längstens bis zum Ablauf des Hauptveranlagungszeitraums (31. Dezember 2030).
Auf den 1. Januar 2029 wird darüber hinaus eine Hauptfeststellung des Grundsteuerwerts unter Zugrundelegung der Wertverhältnisse (z. B. der Bodenrichtwerte) vom 1. Januar 2029 nach § 221 Absatz 1 BewG durchgeführt. Der auf Grundlage dieser Hauptfeststellung festgesetzte Grundsteuermessbetrag entfaltet Wirkung ab 1. Januar 2031 (Hauptveranlagung nach § 16 Absatz 2 Satz 1 GrStG).
51Grundsätzlich steht die Zurechnungsfortschreibung auf den späteren Stichtag einer Zurechnungsfortschreibung auf einen früheren Stichtag entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1955 III 1/55 U, BStBl III 1955 S. 316). 2Wurde auf einen bestimmten Fortschreibungszeitpunkt eine Zurechnungsfortschreibung vorgenommen, ist damit zugleich festgestellt, dass eine Fortschreibung der gleichen Art auf einen vorangegangenen Stichtag nicht durchgeführt wird. 3Bei der Zurechnungsfortschreibung ist die Wirkung aber begrenzt hinsichtlich der Personen, gegenüber denen die Feststellung getroffen wird. 4Regelmäßig wird der Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung nur dem neuen Zurechnungsträger bekannt gegeben. 5Somit kann die Bestandskraft auch nur diesem gegenüber eintreten. 6Deshalb kann eine bisher unterbliebene Zurechnungsfortschreibung auf den jeweils maßgebenden (früheren) Fortschreibungszeitpunkt nachgeholt werden. 7Diese nachgeholte Fortschreibung ist in ihrer Auswirkung auf Feststellungszeitpunkte zu beschränken, für die die Feststellungsverjährung noch nicht eingetreten ist.
61Eine Fortschreibung erfolgt auch zur Beseitigung eines Fehlers (§ 222 Absatz 3 Satz 1 BewG). 2Ein Fehler i. S. des § 222 Absatz 3 Satz 1 BewG ist jede objektive Unrichtigkeit. 3Für die Zulässigkeit der fehlerberichtigenden Fortschreibung ist nicht Voraussetzung, dass ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1989 II R 53/87, BStBl II 1990 S. 149). 4Soll eine fehlerhafte Feststellung durch Wertfortschreibung geändert werden, so muss außerdem die in Absatz 1 bezeichnete Wertgrenze des § 222 Absatz 1 BewG überschritten werden. 5Eine auf eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegründete fehlerbeseitigende Fortschreibung ist für solche Feststellungszeitpunkte unzulässig, die vor dem Erlass der Entscheidung des Bundesfinanzhofs liegen (§ 222 Absatz 3 Sätze 2 und 3 BewG). 6Wenn die Grundstücksart unzutreffend festgestellt wurde und deshalb eine Artfortschreibung zur Beseitigung des Fehlers durchzuführen ist, ist auch ein damit (ggf.) verbundener Wechsel des Bewertungsverfahrens (Ertrags-/Sachwertverfahren) vorzunehmen. 7Eine sich ergebende Wertveränderung ist im Rahmen einer ggf. auf denselben Stichtag durchzuführenden Wertfortschreibung zur Beseitigung des Fehlers zu berücksichtigen. 8Eine fehlerbeseitigende Art- und ggf. Wertfortschreibung kommt auch in Betracht, wenn die Vermögensart unzutreffend festgestellt wurde. 9Das BFH-Urteil vom 5. Mai 1999 (II R 44/96, BFH/NV 2000, S. 8) und der BFH-Beschluss vom 4. Februar 1987 (II B 33/85, BStBl II, S. 326) stehen dem nicht entgegen.
71Bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (siehe dazu A 227.1) ist eine Fortschreibung auf den Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt, vorzunehmen (§ 222 Absatz 4 Nummer 1 BewG). 2Eine Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers ist auf den Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, vorzunehmen, bei einer Erhöhung des Grundsteuerwerts jedoch frühestens auf den Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 222 Absatz 4 Nummer 2 BewG). 3Für eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung ist der Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. 4Dies gilt unabhängig davon, ob sich als Folge der Artfortschreibung der Grundsteuerwert erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1991 II R 15/89, BStBl II 1994 S. 393). 5Wird der Feststellungsbescheid bei einer Erhöhung des Grundsteuerwerts erst in einem darauffolgenden Jahr erlassen, ist der Fortschreibungszeitpunkt für die Wertfortschreibung der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 222 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2, 2. Alternative BewG). 6Zur fehlerbeseitigenden Aufhebung des Grundsteuerwerts siehe A 224 Absatz 3.
8Die Vorschrift des § 235 Absatz 2 BewG über die Zugrundelegung eines anderen Zeitpunkts sowie § 227 BewG, wonach die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind, bleiben von § 222 Absatz 4 BewG unberührt.
Seite teilen
Die aktuelle Seite in Ihren Sozialen Netzwerken teilen.